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Leseprobe »Körbe sind nicht schön, aber gehören dazu«

Leseprobe:

»Körbe sind nicht schön, aber gehören dazu«

Es ist nicht schön, einen Korb zu bekommen. Und Körbe verteilen macht auch keinen Spaß. Deshalb habe ich mir angewöhnt, mir beim ersten Date nichts anmerken zu lassen. Ich zeige freundliche Miene, Pokerface. Das Gegenüber kann glauben, was immer es mag. Was ich empfinde, behalte ich für mich. Das mag fair oder nicht fair sein, so gewinne ich Zeit. 

Meist schreibe ich dann eine Mail. Oder eine SMS. Es sei schön gewesen und ich fände ihn sympathisch, aber, leider, es hat nicht gefunkt. Manche Männer nehmen das krumm. Reagieren gar nicht, einsilbig oder gar boshaft. Titanium reagiert wie ein Gentleman: Das sei schade, er sei ein wenig traurig, denn er habe sich durchaus etwas vorstellen können. Das ist ein Abgang in Würde, all jenen überlegen, die schon Ansprüche stellen, bevor man sich auch nur gesehen hat. »So ist das immer mit schönen Frauen«, lese ich, nachdem ich auf eine Mail nicht binnen 24 h geantwortet habe. »Sie sind alle unzuverlässig. Wenn du bereits zu Beginn unserer Romanze kneifst, war es das jetzt.« Romanze …? Soll er denken, was er will. Wer bereits im Flirtstadium meckert, wie will dieser Mensch noch Punkte sammeln? 

Absolut höflich hingegen gibt sich Ritter_2013. Er hat jenen verwegenen Charme, dem ich zu verfallen geneigt bin. Und dann treffen wir uns. Als ich ihn sehe, durchzuckt mich jenes Etwas, was dafür steht, dass etwas möglich sein könnte. Ich finde ihn auch real immer noch cool. Stutzig macht mich nur, dass er kaum Fragen stellt. Vielleicht gefalle ich ihm nicht ..? Um das herauszufinden, breche ich auf. »Oh, jetzt schon ..?« „Wir können das Ganze ja wiederholen ..?« „Ja, klar“, sagt er in jenem langgezogenen Ton, den ich von mir kenne, wenn ich es nicht ernst meine. Dann passiert nichts mehr. Keine Mail, keine SMS. Schließlich schreibe ich: Schade, nicht mal ein Korb, nach so einem netten Beginn. Er antwortet: Ich hätte Recht, es sei ein Fehler gewesen, im Single-Portal zu sein, er habe sich wieder abgemeldet. 

Das öffnet viel Raum für Fantasie. Vielleicht wollte er seinen Marktwert testen: weil Stress mit der Partnerin. Das kann ich verstehen. Das Netz ist keine bessere Welt, sondern es tummeln sich ganz normale Menschen darin. Körbe sind nicht schön, aber gehören dazu. Mir gefällt, wenn jemand sich Mühe gibt, sie hübsch zu verpacken. Wegstecken muss jede:r sie selbst.

aus: »www.immerwiedersingle.de, Laetitia Liebe, Berliin 2018

Leseprobe »Tango Dreams«

68. Kolumne: Vor dem ersten Schritt

Oben Kuschelkurs, in den Hüften so viel Abstand wie möglich. Die besondere Tanzhaltung des argentinischen Tangos wird gerne mit der Angst argentinischer Matrosen erklärt, ihr schwer verdientes Geld beim Schunkel-Tanz zu verlieren. Die weibliche Berührung sollte genossen werden, ohne dass die prallgefüllten Hosentaschen geplündert werden konnten. Sinnlichkeit und Selbstschutz.

Das Bild der Matrosen fällt mir ein, als ich bei der Freitags-Milonga in der Panoramico-Bar im 13. Stock am Strausberger Platz beobachten darf, wie eine Tanguera in rotem Shirt aufgefordert wird. Sie, sichtlich erfreut, breitet die Arme aus, um jene Tanzhaltung einzunehmen, bei der nur noch geklärt werden muss, ob eng oder offen. Doch weit gefehlt. Während ihre Arme selbstbewusst in der Luft schweben, lässt der Tanguero sich Zeit. Die hinteren Hosentaschen seiner Jeans sind so prall gefüllt, als habe es ihn direkt vom Rio de la Plata nach Berlin-Mitte gespült, wenn es auch keine Goldmünzen sind, die ihn beschweren, sondern die ganz gewöhnliche Grundausstattung eines Mannes: Geldbörse, dazu Smartphone, Auto- und Hausschlüssel.

Seine Hosentaschen signalisieren seinen Single-Status, denn wäre er in Begleitung, läge der Inhalt wohl verwahrt im Handtäschchen seiner Liebsten. Der Tanguero mit den prallen Hosentaschen steht auf der Tanzfläche, als sei Stehen ein Prozess. Es ist ein Prozess. Der Entschleunigung. Der Verinnerlichung. Langsam kommt er an. In seinem Stehen. Bei sich. Und bereitet sich vor auf den Moment, da die Musik zu einer Eingebung wird, die ihm sagt, jetzt sei der Moment, den ersten Kontakt mit der Dame im roten Shirt herzustellen, die ihre Arme nun mit einer irritierten Bewegung wieder herabsinken lässt.

Tango beginnt vor dem ersten Schritt, ja, vor der ersten Berührung. Damit Erwartungen nicht enttäuscht werden, lässt man sie besser zuhause. Kontakt wird erzeugt durch Bewegungen, die einer unsichtbaren Parada gleichen, jenem Schritt, bei dem der Führende seinen Fuß als Grenze aufbaut. Halt. Stopp. Der schönste Weg ist ein Umweg. Tango lehrt, Umwege zu genießen. Dann, endlich, ist es soweit. Der Tanguero legt den Arm um den Körper der Frau, seine Hand findet ihren Rücken und fast sieht es so aus, als habe sie sich in sein Tempo gefügt. Sie atmen ein, ihre Körper verbinden sich, gleich wird er sie einladen zum ersten Schritt. Gespannt halte ich den Atem an. Wohin wird er führen?

Auszug aus »Tango Dreams«, Lea Martin, Berlin 2019

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