Alle Beiträge von leamartin

In Vorbereitung …

Ein Manuskript zu schreiben, ist das eine. Bis ein Buch erscheint, durchläuft es noch viele andere Stadien.

Das fertige Buch ist nur die Spitze des Eisbergs.

Aktuell bei j:m: in Vorbereitung sind:

Bücher

Margret Müller: »Vatertexte«

Lea Joan Martin: »Eintagsliebe« (Roman)

Die Rolle von Zeit bei der Buchproduktion. Es braucht es viele prüfende Blicke und helfende Hände, bis ein Buch in die Welt kommt. Das betrifft sowohl den Text als auch seine Gestaltung und — ganz wichtig — das Äußere des Buchs. Wer sein Manuskript an einen der vielen Verlage übergibt, für die Bücher zu produzieren vor allem ein Geschäft ist, begibt sich als AutorIn mit Vertragsabschluss in ein Abhängigkeitsverhältnis, das mit Geld honoriert wird. Für alle, die selbst bestimmen möchten, wie ihr Buch aussehen soll und wie sie es wann wem vorstellen wollen, kann Selfpublishing eine Alternative sein. Für mich als Autorin und Verlegerin ist ausreichend Zeit zu haben eine entscheidende Größe. Terminpläne und Kreativität sind oft schwer zu vereinen. Daher arbeite ich in meiner künstlerisch-literarischen Arbeit ebenso wie bei der Buchproduktion weitgehend ohne Terminplan und Zeitdruck. Die Bücher von j:m: werden nicht »gemacht«, sondern sie dürfen wachsen, in dem Tempo, das sie — und diejenigen, die ihre Geburt begleiten — benötigen. Ich habe gelegentlich gehört, es sei befremdlich, einen Verlag als Geburtshaus für Bücher zu bezeichnen. Für mich trifft der Begriff genau das, was ich als Autorin brauche. Zeit, um mit meinen Büchern zu kommunizieren. Jedes Buch braucht seine eigene Zeit. Dass ich uns diese Zeit lassen kann, erlebe ich als ein Geschenk, das ich künftig auch mit anderen AutorInnen teilen möchte.

Projekte

Lese-Service Literaturladies

Kolumnen

Kleines Format, große Wirkung. Neben Lyrik sind Kolumnen bei j:m: zuhause, weil dieses Format per se Grenzen verwischt. Journalistische Neugier verbindet sich mit künstlerischem Experiment. Eine Sprache, die aus Reibung mit Realität entsteht, weiß um deren Relativität.

Hier geht es weiter zu den Tango-Kolumnen »Tango Dreams« und »Tango Sehnsucht«. Und hier zu den Kolumnen »Bei Papa gibt es immer Cola« sowie den Blog-Artikeln »Immer wieder Single.de«

»Bei Papa gibt es immer Cola!«

Lyrik-Postkarten

»Wenn Texte und Bilder miteinander tanzen,
entstehen meine Lyrik-Postkarten.«

Lea Joan Martin

Für ihre Lyrik-Postkarten hat Lea Joan Martin Auszüge ihrer Gedichte und Bild-Motive von CANVA verwendet. Die Gestaltung der Lyrik-Postkarten von Khalid Aouga wurde durch seine Bilder und den Lyrikband »Im verborgenen Garten« inspiriert.

Die Postkarten können einzeln bestellt werden, Stück: 1,50 €
Oder als Set von vier Postkarten für 5,00 €. Bei der Bestellung im Freitextfeld bitte einfach angeben, welche Postkarten es sein dürfen.

NEU: Die neuen Motive »weiterleben« sind unter diesem Link zu finden.

Set von Lyrik-Postkarten von j:m:
Motive nach Wahl, 4 Stück 5 €
Bitte die gewünschten Motive im Freitextfeld angeben


NEU: »Überall und nirgends daheim«

„Ausländische Autoren in der DDR? Wo es doch ohnehin kaum Ausländer gibt!“

So ungefähr war das Echo, als Lea Martin im Jahr 1992 anfing, nach ihnen zu suchen. Sie arbeitete damals für die von Ingeborg Drewitz gegründete Neue Gesellschaft für Literatur e. V. und hatte die Aufgabe übernommen, internationale AutorInnen aus der DDR dabei zu unterstützen, sich im Förderdschungel des westlichen Literaturbetriebs zurechtzufinden.

Und wider Erwarten, es gab sie doch. Ausländer. Ausländische AutorInnen. Vom arabischen Lyriker über die Tochter des ersten und ermordeten mongolischen Ministerpräsidenten bis zum fahnenflüchtigen US-Amerikaner: Aus allen Teilen der Welt schien ein/e VertreterIn in der DDR gelandet zu sein. Mit insgesamt dreizehn Autorinnen und Autoren aus zehn Ländern hat Lea Martin Gespräche geführt, teilweise über zwei Jahre hinweg. Adel Karasholi, Sodnomyn Zambaga, Victor Grossman. Ikbal Hassoon. Valeri Scherstjanoi. Salima Salih. Kedar Nath. José Pablo Quevedo. Sonia Solarte. Karim Al Asadi. Pham Thi Hoai. Tien Hung. Asteris Kutulas. Keine Namen, die in Bestsellerlisten auftauchen. Was Lea Martin an ihnen „studierte“, war das Verhältnis ihres Schreibens zu den Brüchen in ihrer Biografie.

DDR-Deutsche haben 1989 den Zusammenbruch ihrer Heimat erlebt. Lea Martin interessierte, ob und wie Brüche produktiv gemacht werden. Gerade weil die DDR kein Einwanderungsland und ein faktisches Asylrecht trotz Artikel 23 Abs. 3 der DDR-Verfassung kaum vorhanden war, sahen sich die wenigen ausländischen Intellektuellen in einer besonderen Situation. In ihrem Status teils privilegiert, teils ghettoisiert, zogen sie sich zurück oder wurden vorwärtsgetrieben zur Assimilation. Das Ideal des „proletarischen Internationalismus“ zwang Nicht-Deutschen, die am öffentlichen Leben teilhaben wollten, eine Ent-Nationalisierung auf, die nach der „Wende“ aufatmend zurück vollzogen wurde. 

In Interviews, Porträts und eigenen Texten der insgesamt dreizehn AutorInnen werden diese so vorgestellt, wie Lea Martin sie vor dreißig Jahren wahrgenommen hat. Der Buchtitel »Überall und nirgends daheim« ist dem Interview mit der irakischen Autorin Ikbal Hassoon entnommen. Die Gleichzeitigkeit eines scheinbar unvereinbaren Widerspruchs bringen vor allem die AutorInnen zum Ausdruck, für die »Heimat« auch im Plural funktioniert.

»Überall und nirgends daheim«. Internationale AutorInnen zwischen DDR und BRD. Lea Martin. Paperback, 248 Seiten, ISBN: 978-3-935401-19-7, 22 €, lieferbar seit 06.03.2024

»Diese Figur besitzt Strahlkraft«

Arrangement des Bücherflüsterers Jürgen Gielsdorf

Das schreibt der Blogger und Bücherflüsterer Jürgen Gielsdorf auf Instagram über Die Kommunistin:

»Dieses Buch von @leajoanmartin ähnelt dem berühmten Stein. Jener der ins Wasser geworfen wird. Neue Kreise. Neue Themen. Oder auch. Ein Glas Wasser und eine Magnesium Tablette hinein geben. Es sprudelt und braust. Das entspricht dem Temperament des Buches. Dieser Titel umfasst 174 Seiten. Die habe ich jetzt einmal atemlos hinter mir. «

»Ich verabschiede mich ungern von Stella. Diese Figur macht für mich den glänzenden Mittelpunkt des Buches aus. Unsicher. Nach dem Sinn von Politik, Philosophie und Liebe suchend. Verkürzt. Aber diese Figur besitzt Strahlkraft. Dieses Buch von Lea Joan Martin kommt mit 174 Seiten daher. Diese lösten bei mir ganz viel Kopfkino aus. Über Instagram habe ich etliche Menschen mit einer DDR Biografie kennen und schätzen gelernt. Gebrochen ist ein Wort das häufig fällt. Aus deren Schilderungen fand ich einiges in diesem Buch wieder. Mut und Kraft sind für mich zwei Worte. Die Kommunistin ist im Eigenverlag der Autorin erschienen. Dort finden sich weitere gehaltvolle Titel. Der mehr als gelungene Internetauftritt lohnt einen Besuch. Danke für diese Lektüre.«

Als erster hat #rat_krespel auf Instagram Die Kommunistin entdeckt, wenn auch mit gemischten Gefühlen, die er so beschreibt:

»Mich beeindruckt allein schon die Tatsache, dass Lea ihre Bücher in einem eigenen Verlag herausbringt und sich in ihren Texten auch mit Themen auseinandersetzt, die mir wichtig sind. Die Kommunistin ist nach Erzählungen, Gedichten und Kolumnen ihr erster Roman, 2021 erschienen, und hier gibt es den deutlichen Anknüpfungspunkt zu mir, denn es geht auch darum, wie Nachkommen von Opfern und Tätern des Nationalsozialismus mit dieser Tatsache umgehen können — vor allem, wenn sie eine Beziehung eingehen. Doch es geht in diesem Roman noch um viel mehr: das Frauenbild des Marxismus (wer immer da an Positives denkt, liegt falsch), der Weg weg von den Eltern, eine ungewollte Schwangerschaft und eine genauso ungewollte Abtreibung unter dem Druck des Partners, Rassismus … Und das ist für mich eine Kritik an dem Buch: Es will zu viel. Das ist vielleicht verständlich bei einem ersten Roman, aber war für mich dennoch deutlich zu spüren. Ich habe das Buch dann meiner Tochter zum Lesen gegeben, und ihr ist vor allem das Resultat aufgefallen, wenn man auf 175 Seiten so viele wichtige Themen unterbringen will: Die Personen werden zu Stereotypen, denn es kann nicht gelingen, auf so wenig Raum so vieles adäquat umzusetzen – da wird die literarische Figur schnell zum Träger einer Haltung oder einer Meinung. Wenn jetzt jemand denkt, ’na, dann sollte ich das nicht lesen!‘, würde ich aber dennoch widersprechen, denn ich finde, dass in dem Roman Potential steckt und #leajoanmartin wirklich etwas zu sagen hat. Und vor allem gefällt mir ihre Sprache. ‚Die Aufgabe von Kunst ist es, Fragen zu stellen. Wo die Antworten beginnen, endet die Kunst.’«

Geschenk-Sets

Du liebst lebendigen Dialog? Was liegt da näher, als ein Buch, das du verschenkst, mit einem »Add On« zu kombinieren, das den Leser und die Leserin über die Lektüre hinaus begleitet?

Als Geschenk-Set können die Bücher kombiniert werden mit:

»Dos Almas«, CD, 12 €, versandkostenfrei bei joanmartin

Passend zu den Tango-Büchern von j:m: kann die wundervolle CD »Dos Almas« von Duna Rolando und Gabriel Battaglia aus Berlin verschenkt werden.

TIPP: Ein Auftritt des Tango-Duos wird in dem Roman »Die Entstehung der Liebe« beschrieben..

Neben dem klassischen Gutschein für ein Buch bietet j:m: auch Gutscheine für eine Lesung »@home« an. Den Wert deines Gutscheins kannst du selbst festlegen. Im Freitextfeld gib einfach an, ob ein Buch- oder ein Gutschein für eine Lesung ausgestellt werden soll. Wenn es Rückfragen gibt, melden wir uns. Hier kannst du einen Gutschein bestellen.

Weihnachts-Service: Wer vor Weihnachten bestellt, kann nicht nur direkt an eine Wunschadresse liefern lassen, wie üblich liebevoll als Geschenk verpackt, mit persönlichem Gruß. Sondern es gibt dazu eine Tüte mit Lebkuchenfiguren (unisex), gebacken nach einem alten Familienrezept. Mit persönlichem Postkartengruß auf einem Motiv der Berliner Illustratorin Meisie.

Gesamtpreis, inkl. Versandkosten: 5 €

Gutschein

Mit einem Buchgeschenk kannst du daneben liegen. Bei einem Gutschein kann das nicht passieren. Wenn du ihn dann noch mit einer der besonderen Postkarten aus unserem Shop versendest (oder von uns versenden lässt), wird die Freude riesig sein.

Gern senden wir den an Buchgutschein an deine Wunschadresse, die du als Lieferadresse im Warenkorb angeben kannst. Schreib uns bitte ins Freitextfeld den Text, den wir auf die Postkarte übernehmen können. Wir geben unser Bestes, damit dein Gutschein auch dann pünktlich ankommt, wenn du spät dran bist.

NEU: »Gepäckkontrolle«

»Irgendwann musste er danach fragen. Irgendwann will jedes Kind wissen, woher es kommt. Doch woher kommt er, mein Sohn?«

Mit dieser programmatischen Frage beginnt die erste Erzählung Zufal«, und natürlich verdankt das Kind sein Leben alles anderem als einem Zufall. Das Thema sexueller Gewalt wird in der zweiten Erzählung Das Geheimnis aufgegriffen. Die Heldin entscheidet sich für ein Schweigen, das ihr das Gefühl gibt, ihre Geschichte selbst zu schreiben — auch wenn es sie isoliert.

Die insgesamt vierzehn Erzählungen spielen um das Jahr 1989 in Berlin und thematisieren das Spannungsfeld zwischen Gespräch, Sprache, Schweigen, Literatur. Lea Joan Martin hinterfragt, was scheinbar zwangsläufig geschieht. Ihre Erzählungen legen den Finger auf den Entscheidungsspielraum jedes Menschen.

»Die Hungernden in Afrika sind ihm so egal wie die Angst junger Menschen vor Krieg und Gewalt. Offene Fragen kennt er nichts er weiß auf alles eine Antwort, über alles Bescheid. Selbst über Auschwitz redet er wie ein Buch. Er ist in eine Wahrheit verliebt, die ihn wenig kostet, weil er sie aus Büchern bezieht.« In der Erzählung Die Wahrheit über Barbara rechnet Katja mit ihrem ehemaligen Lehrer ab, der nicht versteht, weshalb sie Kommunistin wurde. Seinem Wahrheitsbegriff stellt sie einen entgegen, der sich aus persönlicher Erfahrung speist.

Um die Möglichkeiten und Grenzen persönlicher Freiheit im Kontext sozialer und politischer Verantwortung geht es in allen Erzählungen. Themen sind sexuelle Gewalt, Mauerfall, Klimaschutz, bikulturelle Beziehungen, politische Ohnmachtsgefühle und weibliche Selbstbestimmung.

In der Titelgeschichte Gepäckkontrolle, die vor dem Mauerfall spielt, wird eine junge Mutter an der Sicherheitskontrolle des Flughafens festgehalten, weil man sie aufgrund der Geburtsurkunde ihres Babys für eine potenzielle Terroristengattin hält. Während der für sie unangenehmen Prozedur erinnert sie sich an der Terroranschlag von Lockerbie.

Die Erzählungen wecken die Erinnerung an die Geburtsstunde des neu vereinten Deutschland. Ihre Aktualität beziehen sie aus der Suche nach persönlicher Freiheit und einer inneren Haltung, die das jeweils Andere mitdenkt. Die Mutter, die ihrem Sohn nicht sagen möchte, wer sein Vater ist, die Frau, die ihren sie betrügenden Mann an die Ausländerpolizei verraten könnte, bis hin zu der Sekretärin, die von ihrem Ex-Mann nicht erkannt wird, sie alle stehen vor persönlichen Entscheidungen: Was zeigen, was verschweigen wir? Welche Traditionen nehmen wir mit? Welche lassen wir besser zurück?

Der Band Gepäckkontrolle lädt dazu ein, das »Gepäck« der eigenen Lebensreise einer liebevollen Prüfung zu unterziehen.

»Kein Wort ist zu viel.« (Rezension bei Amazon von marielu92)

Lea Joan Martin: »Gepäckkontrolle«, Erzählungen, 250 Seiten, Hardcover (mit Lesebändchen), ISBN 978-3-935401-18-0, 19,90 €,

Die Autorin Lea Martin

»Schreiben als schützende Haut«. Ein Porträt von Susanne Mühlhaus in »Tangodanza«, Nr. 4/2021

Imageflyer von Lea Martin

Der Tango hat Lea Martin viel gegeben — und nun gibt sie in zwei Spendenaktionen etwas zurück: 100 Exemplare ihres Buchs Sind Tangotänzer die besseren Liebhaber? schenkt sie denjenigen, die mindestens 15 Euro an das Berliner Mala Junta von Judith Preuß spenden; und der Erlös aus dem Verkauf von Tango in my Heart geht an den Anfang des Jahres gegründeten Verein Pro Tango. Unsere Autorin Susanne Mühlhaus lernte die Schriftstellerin und Verlegerin nicht nur durch ihre Bücher, sondern auch im Interview kennen.

Mit dem Schreiben Geld verdienen — das gelingt der Berliner Autorin Lea Martin gleich auf zweierlei Weise: Im Hauptberuf angestellt bei einer IT-Firma im Gesundheitswesen verfasst sie Beratungsvorlagen und Sitzungsprotokolle. Und nach dem Studium der Literatur- und Politikwissenschaften in Stuttgart war Lea zunächst als Journalistin tätig, auch für den Rundfunk und in der Redaktion einer Tageszeitung. Mithilfe von zwei Stipendien konnte sie 1990 ihre erste Erzählung Abschied veröffentlichen, in der sie sich mit der NS-Vergangenheit ihres Vaters auseinandersetzt. Es folgte der Gedichtband weil ich keine jüdin bin im Selbstverlag, den sie gründete, bevor es in Mode kam, selbst zu verlegen. zu dem Zeitpunkt hatte Lea drei kleine Kinder, und ihre Ehe ging in die Brüche. Inzwischen hat sie bereits zehn Bücher veröffentlicht, darunter auch die beiden Roman Der Tangolehrer (2021) und Die Kommunistin (2021). »Durch Schreiben etwas bewegen« wollte sie schon immer. Bereits während der Schulzeit verfasste sie Beiträge für die Schülerzeitung über große weltpolitische Themen wie Atomkraft, Hunger, Krieg, aber auch Lyrik. Bemerkenswert findet sie bis heute, dass die Schülerzeitung damals verboten wurde — jedoch nicht wegen der politischen Themen, sondern wegen zwei ihrer Gedichte über Selbstbefriedigung und sexuelle Belästigung.

Schreiben als Selbstreflexion …

Das Wissen um die Nazi-Vergangenheit des eigenen Vaters und ihre damit verbundenen Schuldgefühle brachten eine physische und psychische Manifestieren mit sich. »Alles in meinem Körper fühlte sich falsch an, auch alle Gefühle.« Das hat sich erst durch die Geburt ihrer Kinder aufgelöst. Dann fand in der Begegnung mit demTango wieder ein intensives körperliches Erleben und Bewegteren statt.

Seit Lea 2014 mit dem Tangotanzen begann, hat sie ihre Erlebnisse schriftstellerisch verarbeitet. »Tango ging mir so nah, dass ich darüber schreiben musste. Das Schreiben schiebe ich als schützende Haut zwischen mich und die Welt.« Das hat sie bisher in drei belletrischen Büchern und in einem dokumentarischen Werk mit Interviews aus der Berliner Tanzszene im eigenen Joanmartin Literaturverlag umgesetzt. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund, sondern schreibt offen über Sex, Polyamorie, Narzissten, Eifersucht und Ambivalenz. »Wer schreibt, geht Beziehung ein« sagt Lea. »Zu Sprache. Zu Worten. Zu Lesern und Leserinnen, aber auch zu sich selbst.«

… aber durchaus auch politisch

Ein Tango-Buchprojekt löst das andere ab.

In ihren Büchern treffen Frauen manchmal Entscheidungen, die ihnen nicht guttun. Lea findet das ganz normal, denn »wenn man heute Frauen vorhält, dass sie ihre Interessen nicht selbstbewusst genug durchsetzen, muss man berücksichtigen, dass bis vor relativ kurzer Zeit noch der Ehemann der gesetzliche Bestimme war.« So ging bei Eheschließung das Vermögen der Frau bis in die 1950er Jahre noch in den Besitz des Mannes über. Es sei eine Überforderung »von Frauen zu verlangen, jetzt mal schnell die jahrhundertelange Tradition des Unterjochtseins abzuschütteln und so zu tun, als sei das nicht geschehen.« Vielmehr werden Frauen in ihren privaten Beziehungen von dieser Geschichte eingeholt. »Ich wünsche mir, dass wir als Frauen auch rücksichtsvoller mit uns selbst umgehen.« Leas Schreiben ist immer auch politisch. So beschäftigt sie sich z.B. mit‘ finanzieller Gewalt‘ bei Trennungen. Ein Projekt über ausländische Schriftsteller in der ehemaligen DDR, die mit der Wende ihre zweite Heimat verloren haben, verschwand vor langer Zeit in der Schublade. Jetzt hat sie es wieder hervorgeholt. »Einige der Leute, die ich vor 30 Jahren interviewt habe, konnte ich jetzt wiederfinden. Spanend ist der doppelte Bruch. Ich bringe mich auch stark ein als jemand, der aus dem Marxismus kommt. Weil ich das Projekt genreübergreifend angelegt und dabei einen künstlerischen Anspruch hatte, passte es in keine Schublade eines Publikumsverlages.« Genau das will sie aber auch anderen mit ihrem Joanmartin Literaturverlag bieten: eine Heimat für Bücher, die sonst in keine Schublade passen.

Schreiben ist wie Tango tanzen

Zu ihren Vorbildern als Schriftstellerin gehören Goethe und Thomas Mann, mit denen sie sich während des Literaturstudiums ausführlich befasste, ebenso Irmtraud Morgner, Christa Wolf und Ingeborg B Bachmann. Der Vorteil des Literaturstudiums sei zwar, dass man viel liest — gleichzeitig bekommt man aber auch großen Respekt vor diesen Literaten. »Insofern hat mich das Literaturstudium erst mal blockiert. Die Kunst dann, die alle hinter sich zu lassen und das Eigene zu finden.« Und das hat Lea Martin. Sie spielt gerne, sie provoziert, sie denkt politisch.

»Insofern ist Schreiben auch wie Tango tanzen«, denn auch im Tango geht es darum, den eigenen Stil zu finden — und das, was man gelernt hat (z.B. wie ein Roman gestaltet sein sollte), hinter sich zu lassen. Diesen Gedanken machte sie auch in einem Interview deutlich, als sie über »Tango als Metapher für das Schreiben« sprach.

Lea Martin beim Tango-Üben

»Durch den Tango ist mir bewusst geworden, wie ich schreibe und wie ich es in Zukunft entwickelt möchte.« Statt festgelegter Schritte aus Standard-Latein-Tänzen will sie auch hier nicht nach einem Schema vorgehen, sondern »ganz bei sich bleiben, wie beim Tangotanzen.« Auch beim Schreiben gebe es einen Flow und ein Führen und Folgen. »Das Führen ist das, was man sich vorgenommen hat, wie ein Text am Ende ausgehen soll _ und das Folgen ist das, was daraus wird.«

Literatur-Events

Nach ihrem Motto »Zur Literatur gehört, wie sie kommuniziert wird« hält Lea Lesungen im kleinen Kreis, veranstaltet seit 2017 Events, die Essen und Lesen kombinieren (Eat & Read). Seit Ende 2020 veröffentlicht sie auch einen Podcast (Privatlesung), denn »Literatur findet längst nicht mehr nur zwischen Buchdeckeln statt.« Mit ihren Hörstücken möchte sie andere ermutigen, ihrem eigenen Blick zu vertrauen und eine eigene Sprache zu finden.

Für Lea hat die Digitalisierung alles verändert. »Schrift ist Licht auf einem Bildschirm.« Schreiben geschieht nicht mehr mit Stift auf Papier, sondern Finger flitzen über die Tastatur. »Heutzutage lesen viele Leute keine Bücher mehr von Anfang bis Ende. Und ich möchte Sequenzen schreiben, die sich wie Perlen auf einer Kette aufreihen, jede Perle für sich und trotzdem verbunden.« Eben wie Tango tanzen.