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Die Kommunistin

Mit »Die Kommunistin« ist Anfang Mai 2021 der erste Roman von Lea Joan Martin erschienen.

Mitte der 1980er Jahre in Berlin, damals noch West. Erzählt wird die Geschichte von Stella, die in einer kommunistischen Splittergruppe aktiv ist. Ihr Weltbild gerät ins Wanken, als sie schwanger wird und das Kind bekommen möchte, im Unterschied zu ihrem Freund, der von kleinbürgerlicher Familiengründung wenig hält. Ihr Gewissen verbietet ihr, ihm zuzumuten, gegen seinen Willen Vater zu werden. Was aber macht diese Entscheidung mit ihr? Auf einer Demonstration trifft sie einen Flüchtling, der ihr Leben verändert.

Der Roman erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die mit der Nazi-Vergangenheit ihrer Eltern abschließen will, bis diese  in ihrem Gefühlsleben aufbricht.

»Die Kommunistin«, Roman, Lea Joan Martin, 175 Seiten, Hardcover, ISBN 978-3-935401-12-8, 14,95 €

»Diese Figur besitzt Strahlkraft«, findet der Blogger Jürgen Gelsdorf auf Instagram. Der vollständige Beitrag ist hier zu lesen.

Ein Interview zu ihrem Roman »Die Kommunistin« hat Lea Joan Martin im Juli 2021 der »Leserkanone« gegeben, siehe dieser Link.

Und das sagen LeserInnen zu »Sind Tangotänzer…?«

Die Rezension von Susanne Mühlhaus wurde von der Zeitschrift »Tangodanza« (Ausgabe 4/2020) veröffentlicht. Sie schreibt:

»Lea Martin schafft es, nicht nur Sehnsucht, Ambivalenz, Zweifel, Wut und Eifersucht, sondern auch Polyamorie, Anbaggerei, Narzissten und kluge Kinder in den Erzählungen unterzubringen und spickt sie noch mit falschen Freunden und Freundinnen und überheblichen Besserwissern. Eine zweite Ebene des Leids sind unterschiedliche Gewalttraumata in fast jeder der Geschichten: sexueller Missbrauch, Krieg, Gefangenschaft und Naziverbrechen werden thematisiert. (…) Es sind keine Kurzgeschichten, deren Ende offen bleibt, sondern wir erfahren, was aus den Protagonisten wird. Durch eine Vermischung von auktorialer und personaler Erzählperspektive schafft die Autorin auch bei der Leserin Distanz und Nähe. Mal sind wir ganz nah bei der Frau, mal weiter entfernt. (…) Was beim Tanzen vor sich geht, gehört zu den schönsten Beschreibungen des Buches, und man möchte an solchen Stellen am liebsten noch ein wenig verweilen, sie mit eigenen Vorstellungen, Erinnerungen und Wünschen ausmalen. Was jedoch die Frage angeht, die im Titel gestellt wird – diese wird im Buch beantwortet, aber die Antwort verratn wir hier nicht!«

Vollständiger Text folgt.

Und das sagen Leser:innen:

»Das Buch ist einfach köstlich.«

»Ich habe zwar erst einige wenige Seiten gelesen, bin aber bereits jetzt sehr begeistert!«

»Jede Erzählung hätte es verdient, dass ein eigener Roman daraus entsteht. Das Buch hält der Tangogesellschaft den Spiegel vor.« Die vollständige Rezension findet sich hier.

»Aus vielen einzelnen Erlebnissen und Erfahrungen macht Lea Martin ein großes Ganzes, so dass man als Leser abtauchen kann in die Berliner Tangonächte (und ihre Folgen). Das Buch ist sehr dcht geworden, an einigen Stellen hat es mir fast den Atem genommen, so dass ich es unwillkürlich immer wieder weglegen musste, um eine Pause zu machen. Ich bin normalerweise so eine Ritsch-Ratsch-Fertig-Leserin, aber das geht bei diesem Buch nicht. So dosiere ich es und merke, dass die einzelnen Erzählungen dadurch auch nach dem Lesen noch in meinem Kopf schweben – ein schönes Gefühl.«

»In elf Geschichten erzählt Lea Martin das Erleben ihrer Protagonistinnen beim Tango, nach dem Tango oder im Tango. Wenn die Seele und die Leidenschaften, wie gewünscht oder wider Erwarten, sich Bahn brechen. Sie erzählt äußerst detailreich, fast dokumentarisch, offen, mutig, engagiert, bisweilen verstörend und lässt uns teilhaben an den Ambivalenzen, den hoch erfüllenden emotionalen Erlebnissen und den Höllenstürzen in Beziehungen, die wir alle kennen. Unabhängig davon, ob wir Mann oder Frau sind. Fast nebenbei beschreibt Lea Martin Impressionen der Berliner Tangoszene. Das Buch wühlt auf, ist streitbar und wird sicher zu Diskussionen führen. Es ist keine leichte Kost, keine easy-going Literatur. Wer es nur als Unterhaltung liest, hat den existenziellen Teil des Buches nicht wahrgenommen. Es ist ein humanistisches, allzu menschliches Buch: Ecce homo!«

Sind Tangotänzer die besseren Liebhaber?

Tango gilt als Tanz der Liebe, der das Leben verändert. Viele Menschen tauchen voller Sehnsucht in ihn ein und bringen eine große Bereitschaft mit sich einzulassen. Auf Milongas (wie die Tango-Tanzveranstaltungen heißen) tanzen Fremde eng umschlungen oft stundenlang miteinander. Da kommt dann auch das »Kuschelhormon« Oxytocin ins Spiel, das zu Irrungen und Verwirrungen führen kann. In den neuen Erzählungen von Lea Martin geht es um Leidenschaft und Liebe, um Illusionen und Enttäuschungen. Es geht um Gefühle, die den Tango anziehend sein lässt und die er frei setzen kann. »Sind Tangotänzer die besseren Liebhaber?« ist im Juli 2020 erschienen. Softcover-Einband, 254 Seiten, ISBN: 978-3-935401-09-8,  16 €.

LESEPROBEN der Erzählungen bietet das Magazin »Tango Argentino Online« unter diesem Link.

Eine kleine Hörprobe plus Interview mit dem Helden der Erzählung »Das eindeutige Angebot« bietet der Podcast »PrivatLesung« in seinen Folgen »Sex« und »Fiktion« sowie der Folge »Tango«. In der Folge »Tabu« gibt es eine Kostprobe aus der Titelgeschichte »Sind Tango die besseren Liebhaber?«

damit wir euch das Buch zuschicken können.

»Was für ein Buchtitel!« findet die Rezensentin der Zeitschrift »Tangodanza«, dem bundesweiten Magazin rund um alle Themen, die Tango betreffen. »Plädiert die Autorin Lea Joan Martin da etwa aus dem Nähkästchen?« Die vollständige Rezension ist hier zu lesen.

»Tango in my Heart« (Blog)

Neben vielen anderen ist auch die Tangoszene besonders von der Corona-Krise betroffen. Viele VeranstalterInnen und Schulen haben vor jeder Behörde auf die Situation reagiert und Milongas sowie Kurse ohne jede Anordnung abgesagt: aus Verantwortung und obwohl ihre Existenz auf dem Spiel steht. Dieses Voraus-Denken in der Not wird von der Spenden-Bereitschaft vieler TangotänzerInnen eindrucksvoll ergänzt.

Es ist mir eine Freude, zusammen mit der Bloggerin Laura Knight auf ihrem Blog »Berlin Tango Vibes« einen Beitrag zu leisten, um die Berliner Tangoszene in der aktuellen Krise zu unterstützen.

Foto: Anandamrita/Shutterstock.com

Das Projekt »Tango in my Heart« stellt Tango-Profis  und  Tango-LiebhaberInnen der Berliner Tangoszene vor und lässt sie erzählen, wie es ihnen aktuell geht, was sie vermissen, woran sie sich (gerne) erinnern, wie sie andere unterstützen und wie man sie unterstützen kann.

Für den ersten Beitrag hat Laura mit der Inhaberin des Tango Concepts Stores Te Quiero Nutz in der Boxhagener Straße in Berlin Friedrichshain gesprochen. Dann haben wir Judith Preuss, Gründerin und Leiterin der Tangoschule Mala Junta, Tangotänzer Rahhman und Tangotänzerin und -lehrerin  Gaia Pisauro, sowie Tangokünstlerin Alicja vorgestellt. Im aktuellen Beitrag stellen wir die Tango-Liebhaberin Gabriele S. vor. Alle Beiträge findet ihr hier.

Bei Papa gibt es immer Cola

Bei Papa gibt es immer Cola
Kolumnen  |  Katharina Martin

»Bei Papa gibt es immer Cola! Und Pommes! Und immer kauft er uns etwas zum Spielen!« Die Loblieder auf Papas schöne Wochenendwelt gären in der alleinerziehenden Mutter. Es ärgert sie, nur für die Pflichten zuständig zu sein. Dann lädt sie ihre Kinder ins Auto. Ab in Papas Welt, von der sie nun auch etwas abhaben will.

Die Kolumen von Katharina Martin ermuntern augenzwinkernd, oft auch selbstkritisch zu Selbstbewusstsein, weil auch Trennungsfamilien kein bisschen weniger Familie als andere sind.

Einige der Kolumnen wurden  in der »Berliner Morgenpost« veröffentlicht.

Joanmartin Literaturverlag  |  Berlin 2018
ISBN 978-3-935401-06-3

Leseprobe 

»Hommage an die Magie des Tangos«

Rezension von Laura Knight in »Tangodanza», Nr, 4/2019

 

»Diese Kolumnen-Sammlung ist eine Hommage an die Magie des Tangos. Lea Martin gibt darin Einblicke in ihre persönliche Tango-Erfahrungswelt. Es geht ihr um den Tango, den wir alle kennen, der ebenso Herausforderung ist wie Hobby, Leidenschaft und soziales Ereignis.

Die Autorin nimmt ihre Leser mit auf Milongas (hauptsächlich in Berlin), in den Unterricht, zur Tanzpartnersuche und in die Einsamkeit nach der letzten Tanda. Sie dürfen teilhaben an Gedanken, Erinnerungen, Frustrationsmomenten und Glücksgefühlen. Dabei lässt Lea Martin den Tango so sein, wie sie ihn erlebt – mit allen Emotionen und Widersprüchlichkeiten. Sie gibt sich seinem Zauber hin und macht seine Magie greifbar. Sie erlaubt es sich, verträumt zu sein und manchmal auch naiv statt abgeklärt und cool. Fühlen statt Denken. Tun statt Verstehen. Dadurch gewinnen die Texte an Tiefe und regen zur Reflexion an. Unterstützt wird dies durch eine bildhafte, manchmal gar poetische Sprache.

Jeder der Texte stellt eine Begegnung mit einer der vielen Facetten des Tango dar. Ganz nebenbei zeichnet das Buch den Weg von der begeisterten Anfängerin zur erfahrenen Tänzerin nach. Die Kolumnen widmen sich den kleinen Absurditäten ebenso wie den großen Emotionen. Wer selbst Tango tanzt, wird sich darin wiederfinden. Manche fühlen sich vielleicht ertappt, wenn von ‚Mir Tango‘, ‚Eric Tango‘ und ‚Stefan Tango‘ und er Telefon-Kontaktliste die Rede ist Andere denken beim Text über das erste Tango-Date schmunzelnd an ihre eigene Tanzpartnersuche zurück oder schwelgen bei ‚Lehrer-Hopping‘ in Erinnerung an ihre ersten Tango-Lehrer. Und die wenigsten lässt vermutlich der Gedanke an den letzten Tanz mit einem geliebten Menschen kalt.

Ursprünglich wurden die Texte von Lea Martin auf einem Internet-Portal veröffentlicht. Jetzt gibt es die 82 Kolumnen, von denen kaum eine länger als zwei Seiten ist, zusammengefasst in einem 171-seitigen Buch. Dank der schönen Hardcover-Ausführung mit rotem Lesebändchen ist das Buch auch ein besonderes Geschenk für Tango-Begeisterte. Tango Dreams richtet sich an alle, die selbst Tango tanzen ebenso wie an Interessierte, die sich in den ‚Tango-Zirkus‘ zunächst aus sicherer Entfernung einlesen wollen. Das Cover zeigt eine Tango-Umarmung, bei der der Mann fast im Schwarz des Bucheinbandes verschwindet und die Frau zur Hauptperson wird – passend zu den Texten, die die Erfahrungen aus weiblicher Perspektive schildern und gerade deshalb nicht nur für Frauen interessant sind. Das Buch lädt zum Stöbern ein. Dabei muss die vorgegebene Reihenfolge der Kolumnen nicht eingehalten werden, in den wenigsten Fällen knüpfen diese direkt aneinander an. (…)«

Leseprobe »auschwitz : heute«

Einleitung

»Gibt es keine schöneren Themen?« werde ich oft gefragt. Meine Antwort ist: Nein. Es gibt kein schöneres Thema als die Realität. Auschwitz ist ein wesentlicher Teil dieser Realität, wenn nicht der wesentlichste.

Die Idee zu diesem Buch entstand aus dem Wunsch, ein polyphones Stimmungsbild zu realisieren, ein Kaleidoskop von Haltungen nicht-jüdischer Deutscher zu Auschwitz. Bewusst habe ich dafür nach Menschen gesucht, die, wenn sie Auschwitz hören, nicht weglaufen, sondern aufmerksam werden und bereit sind, über ihre Erfahrungen zu sprechen.

Für mich ist Auschwitz kein abgeschlossenes Kapitel, interessant allenfalls für Historiker oder zum offiziellen Gedenken. Mich interessiert die aktive Auseinandersetzung, von der Erinnerungsarbeit über die Pädagogik bis zur Politik. Mich bewegt, wenn die Kinder und Kindeskinder der großen und kleinen Täter aus dem Schatten ihrer Väter und Mütter treten, nicht pflichtschuldig, sondern aus freier Entscheidung. Gerade auch von Nachfahren ist aber immer wieder zu hören, dass „endlich“ Schluss sein müsse mit „diesem“ Thema.

Tatsächlich neigt die bundesdeutsche Gesellschaft dazu, Auschwitz als Thema auszusortieren, unter Judentum, Historie, Gedenken. Der im wesentlichen katholisch motivierte Bau des Mahnmals ist folgte einem ähnlichen Ziel. Man zahlt viel Geld, um Buße zu tun und glaubt an die Erlösung von Schuld. „Das Schöne an der Schuld ist das Gedenken“, dichtete unlängst ein Kabarettist. Gedenken befreit von Selbstreflexion. Das Mahnmal selbst jedoch lädt dazu ein.

Erhellendes zum deutschen Umgang mit den Auschwitz sschrieb Martin Walser, der Dichter vom Bodensee, der sich gern als nationaler Dichter geriert, bereits 1955 in seinem Aufsatz „Unser Auschwitz“: “ Natürlich“, schrieb er, „verabscheuen wir den Täter. Das gehört ja mit zu unserer intimen Auseinandersetzung. Wir empfinden den Unterschied. Und wir nehmen Anteil am Opfer.“ Mit der Rede vom „natürlichen Unterschied“ gab er das Freizeichen für eine öffentliche Reinwaschung der Seelen, die bis heute währt. Egal was unsere Vorfahren getan oder gelassen haben, „wir“ empfinden uns ihnen einfach als nicht zugehörig, punktum. Auschwitz, so Walser, sei ohnehin nur aus Sicht der Opfer zu verstehen. Viele Deutsche hören das gerne. Denn auf die Opfer zu schauen, entlastet von dem Blick in den Spiegel. Der „Verlust der humanen Orientierung“ (Ralph Giordano), der Auschwitz möglich machte, ist heute noch spürbar. Bis heute aber fällt es vielen Deutschen schwer, ihn für die eigene Familie, die eigene Person zu realisieren. Der Deutschen „Unfähigkeit zu trauern“ (Mitscherlich) ist Teil einer Gefühlstaubheit, die zwar aufbricht, aber längst noch nicht überwunden ist.

Die Interviews, die in diesem Buch versammelt sind, laden dazu ein, den bis in die Gegenwart reichenden Schatten von Auschwitz nachzuspüren. Gern werden zu Auschwitz wohlklingende Sätze formuliert, die von großen Worten hallen. Ich wünsche mir leisere, wachere Töne, eine Nummer kleiner und in Beziehung gesetzt zu eben jenen Tätern, von denen wir – Abscheu hin oder her – zunächst einmal abstammen. Ich selbst habe zu Auschwitz nicht vor allem eine politische, sondern zunächst eine emotionale Haltung und misstraue jedem, der behauptet, die Geschichte seiner Eltern und Großeltern ließe ihn kalt.

Mit allen Schwankungen, denen meine Gefühle zu Auschwitz im Lauf von drei bewusst erlebten Jahrzehnten unterlagen, sind sie wesentlicher Bestandteil einer Identität, die mich von meinen Eltern und Großeltern unterscheidet. Ich bin weit nach 1945 geboren und habe von Auschwitz in der Schule erfahren. Seinen Widerhall jedoch konnte ich spüren, politisch und privat.

Man unterteilt mit Bezug auf das Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 die Generationen in eine 1. (Opfer- bzw. Täter), 2. (Kinder von Opfern bzw. Tätern) und 3. Generation (Enkelkinder von Opfern bzw. Tätern). Ich selbst kenne beide Empfindungslagen, die des Kindes und des Enkelkindes. Meine Großväter waren überzeugte Nationalsozialisten, mein Vater als junger Mann bei der Waffen-SS. Meine Mutter und Großmütter schwammen im Fahrwasser der Männer in ihrer Familie. Als traumatisch habe ich nicht nur die NS-Vergangenheit meiner Familie zur NS-Seite erlebt, sondern vor allem die beständige nachträgliche Rechtfertigung, den nie vollzogenen inneren Bruch.

Sechzig Jahre nach 1945 erleben wir einen Zeitenwechse. Die letzten Überlebenden sterben, sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite. Die künftige Erinnerungskultur wird von Nachfahren geprägt. Für sie ist Auschwitz vermittelte Realität. Ihre Entscheidung, ob und wie sie damit umgehen, ist distanzierter und freier als die der vorangegangenen Generationen. Es gilt allgemein als schwer und belastend, über Auschwitz zu reden, von Auschwitz zu hören. Belastend war und ist in diesem Land jedoch vor allem das Schweigen. Ich will mit diesem Buch ein Zeichen setzen für die emotionale Akzeptanz einer Realität, die nicht leichter wird, indem man sie wegschiebt.

Zu Beginn des Projekts „auschwitz : heute“, wurden berlinweit 40.000 Postkarten, bedruckt mit diesen beiden Worten, verteilt. Auf der Rückseite war zu lesen:

„Auschwitz spaltet, es provoziert. Schuldgefühle, Trauer,
Entsetzen, Angst, Abwehr, Unlust, Langeweile. Das
Literaturprojekt ‚auschwitz : heute‘ fragt, wie Auschwitz von der
2. und 3. Generation nach 1945 erfahren wird. Wenn Sie mehr
über eine Teilnahme wissen wollen, schicken Sie einfach diese
Postkarte ab.“

Die Postkarte lag in Kneipen, Cafés, Kinos, Bibliotheken aus. Wer interessiert war, konnte mich zu einer Lesung aus meinem Gedichtband „weil ich keine jüdin bin“ einladen. Anschließend lud ich die ZuhörerInnen zu Interviews ein (…). Der Fotograf Hannes Wanderer realisierte meine Idee, die Räume, an denen Lesungen stattfanden, zu fotografieren, als Spiegel seiner BewohnerInnen. Herausgekommen ist ein lebendiges, vielgesichtiges Buch, das „InnenRäume“ zeigt, in Fotos und Text. Ich wünsche mir, dass es dazu ermutigt, einen offenen Blick in den Familienspiegel zu werfen. (…)

Berlin, April 2005 Katharina Schäfer

Leseprobe „Lieber dreimal gestürzt“

nach uns

du warst mir
ein buch voller rätsel

deine fremdheit zog ich an
wie ein glitzerndes kleid

ich las zwischen den zeilen
umarmte dein schweigen

begann selbstvergessen
eigene texte zu weben

für ein buch
voller fragen

nach
uns

 

Beziehungsweise

Der Zufall
schlug uns
vor

wir einander
zurück

 

trennungspost

statt liebe hallo
statt begehren betreff

aus uns wird
du gegen ich

nur deine unterschrift
erinnert an deinen namen

der mir gerade noch
auf der zunge zerging

mit jedem atemzug
rückt er fort & verliert sich

im nebel einer erinnerung
die niemand mit mir teilt

 

Falten

So einen Bauch hatte ich auch
denke ich beim Anblick sehr junger Frauen
jetzt hat er Falten geschlagen

that’s life chest la vie, ich vergesse es nie
Leben sprießt. Leben fließt

ich mag meinen Bauch
und zum Glück

du ihn
auch

 

Winter in Berlin

1.

Die Spree voller Eis
Die Wangen heiß
Von Heizungsluft
Orangenduft

Weckt leise, süße Träume

Mit rauer Haut
Als kühle Braut
Tritt der Winter
dem Frühling entgegen

2.

Die Fenster erröten. So schön war die Nacht.
Die Spree glänzt verzaubert. Der Fernsehturm lacht.
Vergessen das Gestern. Vergessen, was war.
Es lächelt das Heute, freundlich und klar.

 

 

 

 

Rezensionen „Lieber dreimal gestürzt“

Als »gelassene Liebesgedichte einer Kämpferin« bezeichnet ein/e Leser/in bei Amazon den Gedichtband von Lea Martin und schreibt:

»Gelassen sorgt Lea Martin mit ihren Worten für eine klarblickende Introversion, die auch nach einer emotional geladenen Trennung alles andere als die übliche Rache vollzieht. Schweigend und geräuschlos löst sie sich aus widersinnigen Lagen und zieht einen schalldichten Vorhang vor sinnlose Streits: ‚In meinem Schweigehaus bin ich Königin‘ stellt sie fest und drückt damit aus, was sie sich wünscht: manchmal nicht gehört zu werden. In ihrer Schreib- und Atemweise entdeckt man, dass Menschen alles Mögliche unternehmen, aber nicht erwarten können, dass es richtig war. Liebe gibt man und fordert sie nicht, wer fordert, kann böse überrascht werden, Liebe ist grundlos und selbstverständlich, das ist die Haltung von Lea Martin. Sie nimmt weder sich noch einem anderen etwas übel und durchaus auch Dinge hin, die nicht nach ihren Wünschen laufen. Sie verabschiedet sich erst, wenn keine Aussicht mehr besteht, und kämpft für das, was ihr wichtig ist, als Dichterin und als Frau.«

Ein/e andere/r Leser/in hebt die Vielseitigkeit der Gedichte hervor. Sie sieht »all jene Gefühle« beschrieben, »die uns auf der Suche, während und auch beim Enden von Liebesbeziehungen begleiten. Mal lustig, wenn der Liebste doziert, wo sie doch küssen will. Häufig mit viel Tiefgang, wenn es um Vertrauen und Identität geht. Mal traurig beim ‚Ende vom Lied‘. Mal im Höhenflug des Verliebtseins und nicht zuletzt erotisch in ’nur für dich‘. So vielseitig wie die Beschreibung der Emotionen ist auch der literarische Stil

 

Leseprobe »Singlemutter«

Hörprobe »Liebst du mich?«

»Singlemutter« (Leseprobe) 

Eigentlich fehlt uns nur noch der Hund. Im übrigen tobt in meiner Familie das Chaos. Wenn nicht eins der Kinder gerade etwas will, quietscht das Meerschweinchen oder das Telefon klingelt. Dabei gelte ich offiziell als allein, zumindest in pädagogischer Hinsicht. Alleinerziehend sind Eltern, denen ein Partner fehlt. Einflügelige Vögel, sozusagen. Dabei war ich verheiratet nicht weniger allein. Ein Mann, der allenfalls optisch anwesend ist, hebt das Gefühl des Alleinseins nicht gerade auf. Nun bin ich es, offiziell.    

Bekannte bieten ihre Hilfe an, Freundinnen spenden Trost. Sogar der Großmutterdienst kommt für mich in Frage. Ich erziehe, alles in allem, nicht wirklich allein. Schule, Bücher, Hort, Fernsehen erziehen fröhlich mit. Ganz zu schweigen von den Geschwistern. Fein säuberlich achten sie darauf, dass niemand privilegiert wird. Und auch ich werde erzogen. Mama, musst du das so unfreundlich sagen? oder Du hast heute wohl schlechte Laune?! sind an der Tagesordnung, gefolgt von klaren Anweisungen, was ich einkaufen soll. 

Kinder alleinerziehender Eltern gelten als besonders selbstbewusst. Gern nehmen sie die Rolle von Ersatzpartnern an – oder werden in sie gedrängt. »Mama gehört uns« ist die klare Botschaft von Kindern, die sich dagegen wehren, dass ihre alleinerziehenden Mütter ein Privatleben führen. Neugierig schleichen sie ins abendliche Wohnzimmer und finden, dass sie dazugehören, egal wer da gerade bei Mama sitzt. Sie sind der Mittelpunkt. Und das wollen sie auch bleiben. Kritisch registriert meine Älteste, als ich (man stelle sich vor) Kerzen ins Schlafzimmer entführe. Kerzen! Im Schlafzimmer! Heimlich holt sie die Kerzen zurück. Eine Alleinerziehende ist eine Frau, die allein zu sein hat. Als Strafe. Für ihren Abschied vom Mann. (Oftmals denken das übrigens nicht nur Kinder.) Tatsächlich war ich selten so gesellig wie als Alleinerziehende. Freundinnen, neue Bekanntschaften, meine sozialen Kontakte nahmen, kaum war ich allein, immer zu. Alleinerziehend stellte ich fest, dass ich so alleine nicht bin: Überall gibt es Mütter, die ähnlich alleine sind – und sich nach Freundschaften sehnen. Zwar ersetzt die beste Freundin der Welt keinen Partner, aber ihre Anteilnahme kann Maßstäbe setzen. Nur eine Alleinerziehende ohne Freundinnen ist wirklich allein. War ich je wirklich alleinerziehend? Eher habe ich mich wie eine Singlemutter gefühlt. Mutter, Single … und duchaus nicht allein.