Archiv der Kategorie: auschwitz : heute

Pressestimmen zu »auschwitz : heute«

19.02.2004  
tip Berlin

Nach dem Schweigen
Die Berliner Autorin und Verlegerin Katharina Schäfer hat in ihrem Literaturprojekt „auschwitz : heute“ das Wissen der Nachfolgegenerationen erforscht

von Anita Staudt

Am Anfang war eine kleine Postkarte, auf der stand: „auschwitz : heute“, und zwar genau so – alles klein. Davon verbreitete die Autorin und Verlegerin Katharina Schäfer allerdings 40.000 Stück in ganz Berlin – in Kneipen, Kinos, Cafés, Bibliotheken… (mehr)


19.02.2004
Jüdische Allgemeine

Die Vorleserin
Gedichte und Gespräche: Katharina Schäfer besucht Menschen zu Hause und erzählt über die Schoa

von Katja Winckler

Kämpfen tut sie heute noch mit ihrem Vater. Obwohl er schon seit Jahren tot ist. Immer wenn ihr Vater beim Kaffeetisch begeistert von Hitlers Autobahnen sprach, bekam er plötzlich diesen schmalen Mund unter dem gestutzten Oberlippenbart…(mehr)


12.11.2003
die tageszeitung

Nur das Knistern des Holzes im Ofen

von Katja Winckler

Aus nächster Nähe: Die Berliner Schriftstellerin Katharina Schäfer liest nicht öffentlich, sondern kommt mit ihrem Gedichtband „Weil ich keine Jüdin bin“ zu den Leuten nach Hause…(mehr)


30.10.2001
Berliner Morgenpost

Wohnzimmer-Lyrik.
Dichterin liest in privater Atmosphäre

von Frank Behrens

Tempelhof – Wohnzimmer sind private Räume. Und eigentlich kein Platz für Literaturlesungen. Genau diese Spannung nutzt die Lichtenrader Lyrikerin Katharina Schäfer für ihr Projekt „PrivatLesungen“… (mehr)


29.08.2001
Tempelhofer Wochenblatt

Lyrik im Wohnzimmer
Projekt „PrivatLesungen“ gestartet

von CS

Lichtenrade. Die Schriftstellerin Katharina Schäfer startete kürzlich mit Unterstützung der Dezentralen Kulturarbeit das Projekt „PrivatLesungen“. Dazu kommt sie für eine Lesung in die Wohnung von LeselustigenAuf die Idee mit den „PrivatLesungen“ kam Katharina Schäfer bei einer Tupperparty … (mehr)


20.12.2000
Heilbronner Stimme

Drei Gedichtbände von Lyrikern aus der Region.
Die Kunst des Dichtens

von Uwe Grosser

Viele fühlen sich berufen, nur wenige sind es: Die Zahl der Gelegenheits-Lyriker in der Region scheint stetig zuzunehmen, doch in der Masse findet sich nur wenig Klasse. Ein paar wohl klingende Wörter aneinander gereiht machen noch keine Poesie. Doch es gibt sie, Gedichtbände… (mehr)


Dezember 2000
TOP – Berlin International

Gedichte atmen unter das Gras

von Dieter Götze

„Im Schweigen wurde ich groß/ von Legenden durchsetzt/ Meine Unschuld verlor ich/ im Geschichtsunterricht/ Langsam nach Jahren der Sprachlosigkeit/ Lerne ich Worte zu spannen wie Zweige/ Zwischen Erde und Mond.“… (mehr)

Leseprobe »auschwitz : heute«

Einleitung

»Gibt es keine schöneren Themen?« werde ich oft gefragt. Meine Antwort ist: Nein. Es gibt kein schöneres Thema als die Realität. Auschwitz ist ein wesentlicher Teil dieser Realität, wenn nicht der wesentlichste.

Die Idee zu diesem Buch entstand aus dem Wunsch, ein polyphones Stimmungsbild zu realisieren, ein Kaleidoskop von Haltungen nicht-jüdischer Deutscher zu Auschwitz. Bewusst habe ich dafür nach Menschen gesucht, die, wenn sie Auschwitz hören, nicht weglaufen, sondern aufmerksam werden und bereit sind, über ihre Erfahrungen zu sprechen.

Für mich ist Auschwitz kein abgeschlossenes Kapitel, interessant allenfalls für Historiker oder zum offiziellen Gedenken. Mich interessiert die aktive Auseinandersetzung, von der Erinnerungsarbeit über die Pädagogik bis zur Politik. Mich bewegt, wenn die Kinder und Kindeskinder der großen und kleinen Täter aus dem Schatten ihrer Väter und Mütter treten, nicht pflichtschuldig, sondern aus freier Entscheidung. Gerade auch von Nachfahren ist aber immer wieder zu hören, dass „endlich“ Schluss sein müsse mit „diesem“ Thema.

Tatsächlich neigt die bundesdeutsche Gesellschaft dazu, Auschwitz als Thema auszusortieren, unter Judentum, Historie, Gedenken. Der im wesentlichen katholisch motivierte Bau des Mahnmals ist folgte einem ähnlichen Ziel. Man zahlt viel Geld, um Buße zu tun und glaubt an die Erlösung von Schuld. „Das Schöne an der Schuld ist das Gedenken“, dichtete unlängst ein Kabarettist. Gedenken befreit von Selbstreflexion. Das Mahnmal selbst jedoch lädt dazu ein.

Erhellendes zum deutschen Umgang mit den Auschwitz sschrieb Martin Walser, der Dichter vom Bodensee, der sich gern als nationaler Dichter geriert, bereits 1955 in seinem Aufsatz „Unser Auschwitz“: “ Natürlich“, schrieb er, „verabscheuen wir den Täter. Das gehört ja mit zu unserer intimen Auseinandersetzung. Wir empfinden den Unterschied. Und wir nehmen Anteil am Opfer.“ Mit der Rede vom „natürlichen Unterschied“ gab er das Freizeichen für eine öffentliche Reinwaschung der Seelen, die bis heute währt. Egal was unsere Vorfahren getan oder gelassen haben, „wir“ empfinden uns ihnen einfach als nicht zugehörig, punktum. Auschwitz, so Walser, sei ohnehin nur aus Sicht der Opfer zu verstehen. Viele Deutsche hören das gerne. Denn auf die Opfer zu schauen, entlastet von dem Blick in den Spiegel. Der „Verlust der humanen Orientierung“ (Ralph Giordano), der Auschwitz möglich machte, ist heute noch spürbar. Bis heute aber fällt es vielen Deutschen schwer, ihn für die eigene Familie, die eigene Person zu realisieren. Der Deutschen „Unfähigkeit zu trauern“ (Mitscherlich) ist Teil einer Gefühlstaubheit, die zwar aufbricht, aber längst noch nicht überwunden ist.

Die Interviews, die in diesem Buch versammelt sind, laden dazu ein, den bis in die Gegenwart reichenden Schatten von Auschwitz nachzuspüren. Gern werden zu Auschwitz wohlklingende Sätze formuliert, die von großen Worten hallen. Ich wünsche mir leisere, wachere Töne, eine Nummer kleiner und in Beziehung gesetzt zu eben jenen Tätern, von denen wir – Abscheu hin oder her – zunächst einmal abstammen. Ich selbst habe zu Auschwitz nicht vor allem eine politische, sondern zunächst eine emotionale Haltung und misstraue jedem, der behauptet, die Geschichte seiner Eltern und Großeltern ließe ihn kalt.

Mit allen Schwankungen, denen meine Gefühle zu Auschwitz im Lauf von drei bewusst erlebten Jahrzehnten unterlagen, sind sie wesentlicher Bestandteil einer Identität, die mich von meinen Eltern und Großeltern unterscheidet. Ich bin weit nach 1945 geboren und habe von Auschwitz in der Schule erfahren. Seinen Widerhall jedoch konnte ich spüren, politisch und privat.

Man unterteilt mit Bezug auf das Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 die Generationen in eine 1. (Opfer- bzw. Täter), 2. (Kinder von Opfern bzw. Tätern) und 3. Generation (Enkelkinder von Opfern bzw. Tätern). Ich selbst kenne beide Empfindungslagen, die des Kindes und des Enkelkindes. Meine Großväter waren überzeugte Nationalsozialisten, mein Vater als junger Mann bei der Waffen-SS. Meine Mutter und Großmütter schwammen im Fahrwasser der Männer in ihrer Familie. Als traumatisch habe ich nicht nur die NS-Vergangenheit meiner Familie zur NS-Seite erlebt, sondern vor allem die beständige nachträgliche Rechtfertigung, den nie vollzogenen inneren Bruch.

Sechzig Jahre nach 1945 erleben wir einen Zeitenwechse. Die letzten Überlebenden sterben, sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite. Die künftige Erinnerungskultur wird von Nachfahren geprägt. Für sie ist Auschwitz vermittelte Realität. Ihre Entscheidung, ob und wie sie damit umgehen, ist distanzierter und freier als die der vorangegangenen Generationen. Es gilt allgemein als schwer und belastend, über Auschwitz zu reden, von Auschwitz zu hören. Belastend war und ist in diesem Land jedoch vor allem das Schweigen. Ich will mit diesem Buch ein Zeichen setzen für die emotionale Akzeptanz einer Realität, die nicht leichter wird, indem man sie wegschiebt.

Zu Beginn des Projekts „auschwitz : heute“, wurden berlinweit 40.000 Postkarten, bedruckt mit diesen beiden Worten, verteilt. Auf der Rückseite war zu lesen:

„Auschwitz spaltet, es provoziert. Schuldgefühle, Trauer,
Entsetzen, Angst, Abwehr, Unlust, Langeweile. Das
Literaturprojekt ‚auschwitz : heute‘ fragt, wie Auschwitz von der
2. und 3. Generation nach 1945 erfahren wird. Wenn Sie mehr
über eine Teilnahme wissen wollen, schicken Sie einfach diese
Postkarte ab.“

Die Postkarte lag in Kneipen, Cafés, Kinos, Bibliotheken aus. Wer interessiert war, konnte mich zu einer Lesung aus meinem Gedichtband „weil ich keine jüdin bin“ einladen. Anschließend lud ich die ZuhörerInnen zu Interviews ein (…). Der Fotograf Hannes Wanderer realisierte meine Idee, die Räume, an denen Lesungen stattfanden, zu fotografieren, als Spiegel seiner BewohnerInnen. Herausgekommen ist ein lebendiges, vielgesichtiges Buch, das „InnenRäume“ zeigt, in Fotos und Text. Ich wünsche mir, dass es dazu ermutigt, einen offenen Blick in den Familienspiegel zu werfen. (…)

Berlin, April 2005 Katharina Schäfer